Sonntag, 16. Dezember 2012

Britische Regierung setzt auf vergütungsfreie offene Standards

Das Kabinettsbüro in London hat Ende der Woche Prinzipien für offene Standards für die öffentliche Verwaltung aufgestellt und mit sofortiger Wirkung in Kraft gesetzt. Danach müssen auch potenziell enthaltene Patente unwiderruflich vergütungsfrei mit zur Verfügung gestellt werden. Rechte, die zur Implementierung eines entsprechenden Standards oder für Schnittstellen zu weiteren Anwendungen nötig sind, dürfen nur ohne Forderungen nach Tantiemen für gewerbliche Schutzrechte lizenziert werden, heißt es ausdrücklich in dem Dokument. Dies soll die Kompatibilität sowohl mit Open-Source-Software als auch mit proprietären Lösungen sicherstellen.

Behörden müssen zudem erstmals bei IT-Neubeschaffungen in ihre Kalkulation die Kosten mit einbeziehen, die für eine Migration auf eine andere Hard- oder Software fällig werden könnten. Damit soll verhindert werden, dass die öffentliche Hand von einem Hersteller abhängig wird. Kabinettsminister Francis Maude hofft, dass mit diesen Vorgaben die Lizenzierungskosten für Informationstechnik im Regierungs- und Verwaltungsbereich deutlich gesenkt werden können. Man wolle echten Wettbewerb fördern, bei dem alle Anbieter die gleichen Startvoraussetzungen hätten. Zudem sollten die Ämter flexibler beim IT-Einsatz werden.

Der Entscheidung war ein mehrmonatiger Konsultationsprozess vorangegangen. Einige Lobby-Vereinigungen aus der Softwareindustrie hatten dabei dafür plädiert, auch "FRAND"-Lizenzierungen (Fair, Reasonable And Non-Discriminatory) in den Rahmen mit einzubeziehen. Demnach müssen Anwender für die Nutzung eines derart lizenzierten Standards üblicherweise Geld zahlen oder sonstige Leistungen erbringen, was aber als nicht vereinbar mit den Prinzipien freier Software gilt. Die Umfrage wurde verlängert und neu bewertet, nachdem aufgeflogen war, dass ein angeblich unabhängiger, sich für den FRAND-Ansatz stark machender Dienstleister Geld von Microsoft bezogen hatte.

Die BSA Software Alliance, die viele große Konzerne vertritt, wollte sich nicht zu den neuen Prinzipien äußern. Microsoft versicherte gegenüber britischen Medien, dass man das Ergebnis akzeptieren werde und mit den Ämtern weiter offen und kooperativ in einem Rahmen zusammenarbeiten wolle, der Innovationen und Wahlmöglichkeiten für alle Unternehmen fördere. Karten Gerloff, Präsident der Free Software Foundation Europe (FSFE), sprach von einer wegweisenden Entscheidung, die anderen Regierungen als Vorbild dienen sollte. Simon Phipps von der Open Source Initiative (OSI) zitiert heise onlines englischsprachiger Ableger "The H" mit dem Hinweis, dass Standards nur dann wirklich offen seien, wenn sie von freier Software anstandslos implementiert werden könnten. Dies sei bei der britischen Definition ausdrücklich der Fall.

London geht mit dem Beschluss über die umstrittene jüngste Novellierung des EU-Rahmenwerks zur Herstellung von Interoperabilität bei E-Government-Diensten hinaus. Die federführende EU-Kommission versuchte sich dabei Ende 2010 an einem Kompromiss. Demnach sollen mögliche Patentrechte im Bezug auf Normen entweder auf FRAND-Basis oder vergütungsfrei in einer Art und Weise lizenziert werden, "die eine Umsetzung sowohl in proprietärer als auch in Open-Source-Software erlaubt". (Stefan Krempl) / (jk)


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