Freitag, 9. November 2012

Michael Anti: Hoffnung auf chinesische Cyberrevolution ist Wunschdenken

Die Hoffnung auf eine durch das Internet ausgelöste Revolution in China ist reines westliches Wunschdenken. Davon gibt sich der kritische chinesische Blogger Michael Anti in einem Interview mit Spiegel Online überzeugt. Die chinesische Zentralregierung habe nach wie vor die volle Kontrolle über das Internet. Wenn kritische Stimmen im Netz lauter werden, dann sei dies von der Zentralregierung gewünscht und kein Zeichen von Schwäche.

Michael Anti heißt eigentlich Zhao Jing, wurde aber unter seinem Bloggernamen bekannt, spätestens Anfang 2006, als Microsofts Online-Dienst MSN auf chinesischen Druck seinen Blog vom Netz nahm. Als freier Mitarbeiter war Anti unter anderem für die New York Times tätig. In Deutschland wurde er 2011 mit dem Preis des internationalen Potsdamer Medienforums M100 ausgezeichnet.

In dem Interview erläutert er, wie die chinesische Regierung das Internet instrumentalisiert, um Druck auf Politiker abseits der Hauptstadt auszuüben. Statt der Zensur sei es deswegen viel spannender zu beobachten, welche Nachrichten im Netz nicht zensiert werden. Sie geben einen Blick hinter die Kulissen der kommunistischen Führung in Peking, erklärt Anti. So sei die öffentliche Diskussion um Bo Xilai Anfang des Jahres ein Zeichen dafür gewesen, dass er den Rückhalt der Partei verloren hatte. Genauso ist es dann auch gekommen und mittlerweile muss sich der ehemals führende Parteifunktionär vor Gericht verantworten.

Richtet sich die Kritik dagegen gegen die Zentralregierung und das System selbst, wird sie sofort und effektiv unterbunden. So wurden im März Putschgerüchte massiv unterdrückt und sogar Weibo für mehrere Tage blockiert. Das sei eine Ermahnung an die Chinesen gewesen, sich an die Zensurbestimmungen zu halten und so wurde sie auch verstanden. Aus Angst um die eigene Karriere leisteten die meisten Chinesen den Regelungen Folge und übten keine Kritik.

Für die Zentralregierung sei die Internetzensur jedenfalls überlebenswichtig, schlussfolgert Anti. Die Server der Dienste, auf denen sich Kritik entfalten könnte, stehen allesamt in Peking, wo die Regierung die volle Kontrolle darüber hat. Erst wenn die Zensur einmal wegfallen sollte, würden die ganzen Lügen des Systems offenbar und die Kommunistische Partei wäre am Ende. (mho)


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