Samstag, 23. Februar 2013

Financial Times Deutschland: Letzter Druck auf Lachsrosa

Der Medienkonzern Gruner + Jahr stellt wie erwartet die Financial Times Deutschland (FTD) und deren Online-Auftritt ein. Die letzte Ausgabe der Wirtschaftstageszeitung soll am 7. Dezember erscheinen. Mit Börse Online und Impulse stehen weitere von der G+J Wirtschaftsmedien hergestellte Titel zur Disposition. Für sie werde noch ein Verkauf oder ein Management Buyout geprüft, teilte der Hamburger Verlag am Freitag mit. Das Monatsmagazin Capital soll mit kleinerem Team am neuen Redaktionssitz Berlin weitergeführt werden, auch der Business Punk darf weitermachen. 314 Mitarbeiter der Wirtschaftsmedien verlieren wohl ihren Job.

Am Freitag hat die Verlagsleitung schließlich Betriebsrat und Mitarbeiter über die Schließung informiert. Die Betroffenen hatten es allerdings schon aus den Medien erfahren: Die Konkurrenz wusste stets mehr als die Redaktionen selbst. Der Betriebsrat schimpft über die missratene Kommunikation der Verlagsleitung. Schon seit Tagen war über den Vorstandsbeschluss berichtet worden, dem am Mittwoch auch der G+J-Aufsichtsrat zugestimmt hatte. Zuvor hatten bereits die Nachrichten von der Insolvenz der Frankfurter Rundschau und der Einstellung des Stadtmagazins Prinz die Medienszene in Aufruhr versetzt.

Die FTD war 1999 als Gemeinschaftsprojekt mit dem britischen Verlag Pearson gegründet worden, der die renommierte Financial Times auf das berühmte lachsfarbene Papier druckt. Die erste Ausgabe erschien im Februar 2000. Es waren die Hochzeiten des New-Economy-Wahns, kurz vor dem Crash, als auf den Finanzmärkten noch das Manna vom Himmel zu regnen schien. Doch G+J hat über die Jahre nur viel in die Zeitung investiert, aber nie Geld mit ihr verdient. Pearson hatte das ungeliebte Kind schon früher aufgegeben, seit 2008 war die Zeitung nur noch das Problem der Hamburger.


Kein Lachsrosa mehr am Kiosk.
Bild: dpa Die FTD wollte Wirtschaftsjournalismus anders machen als die verstaubte Konkurrenz. Sie hatte Fans und treue Leser, richtig Fuß gefasst hat sie aber nie. Von der Auflage von zuletzt 102.000 Exemplaren gehen 41.000 an Abonnenten, 46.000 werden als sogenannte Bordexemplare gratis bei Fluglinien verteilt. In dem Maße, in dem bei G+J die Renditen der Schlachtschiffe wie Brigitte oder Stern zusammenschmolzen, wurde die Luft für die Wirtschaftsmedien dünner.

Die 2008 vollzogene Zusammenlegung der Redaktionen der verschiedenen Wirtschaftstitel in Hamburg war ein letzter verzweifelter Versuch, die Sparte gesundzusparen. Funktioniert hat das nicht – was die Kritiker von damals nicht überrascht. "Zwar konnten erhebliche Einsparungen erzielt werden, diese reichten jedoch nicht aus, um die rückläufigen Anzeigenumsätze auszugleichen", heißt es beim Verlag. Auch 2012 würden die Wirtschaftsmedien einen deutlichen Verlust machen.

"Vor diesem Hintergrund sehen wir keinen Weg, die Financial Times Deutschland weiter zu betreiben", sagte Julia Jäkel, die oberste Chefin der deutschen Verlagsaktivitäten. Die neue starke Frau im G+J-Vorstand hatte ihre Verlagskarriere bei der Gala und der FTD begonnen. "Die FTD war eines der ambitioniertesten journalistischen Projekte der vergangenen Dekade. Es geht ein bedeutendes Kapitel deutscher Publizistik zu Ende. Die FTD verkörpert herausragenden, vielfach preisgekrönten Journalismus." Warme Worte zum Abschied, ganz so, als habe sie mit der Entscheidung nichts zu tun.

Mit den Betriebsräten wird nun über einen Sozialplan verhandelt. Die Gewerkschaft Verdi wirft dem Verlag vor, zu spät Alternativen für seine Wirtschaftsmedien geprüft zu haben. Nun habe die Verlagsleitung einen verheerenden Kahlschlag angerichtet und mehr als 300 Beschäftigte sollen ihren Arbeitsplatz verlieren. "Verantwortungsvolles Unternehmertum sieht anders aus", sagte der stellvertretende Verdi-Vorsitzende Frank Werneke am Freitag. Die Eigentümer seien nun gefordert, jede Möglichkeit der Weiterbeschäftigung der Betroffenen innerhalb des gesamten Verlages zu prüfen. (vbr)


View the original article here

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen