Samstag, 16. Februar 2013

Neue Top Level Domains: Regierungen legen Widersprüche ein

Es sind nicht Staaten wie China oder die arabischen Länder, die die Mehrzahl der ersten Runde von Widersprüchen gegen neue Top Level Domains (TLDs) einlegen – und es sind nicht TLD-Namen wie .gay, gegen die die Staaten opponieren. Vielmehr schießt das australische Ministerium für Broadband, Communications and the Digital Economy (DBCDE) mit 132 sogenannten "Frühwarnbescheiden" den Vogel ab. Besonders oft gehen Regierungen gegen geografische oder generische Bezeichnungen vor.

Erst Mitte 2011 hatte sich die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) endgültig dazu durchgerungen, den Internet-Namensraum zu öffnen und neue Adresszonen einzuführen. Damit möchte die ICANN ein reguläres Verfahren für die fortgesetzte Beantragung neuer Adresszonen im Stil von .com oder .biz etablieren, mit dem sich nahezu beliebige Begriffe für Top Level Domains auswählen lassen. Die ICANN hatte das komplizierte und teure Bewerbungsverfahren für neue Internet-Adresszonen wie ".berlin", ".music" oder ".sport" Anfang 2012 gestartet; nach einigen Pannen, die zur vorübergehenden Aussetzung des Verfahrens führten, konnten Bewerber endlich im Mai 2012 ihr Begehr für neue Top Level Domains vorbringen. Insgesamt 2000 Anträge auf neue Top Level Domains gingen ein.

Die Hürden zur Beantragung neuer TLDs haben die Internet-Verwalter allerdings recht hoch gelegt – so beträgt allein die Bewerbungsgebühr 185.000 US-Dollar, die ICANN will die Bewerber genau prüfen, es wurden für das Bewerbungsverfahren strikte Markenschutzregeln etabliert. Auf Druck des Regierungsbeirates der ICANN (GAC) wurde zudem Staaten eine Möglichkeit eröffnet, Widerspruch gegen Anträge auf bestimmte TLD-Namen abzugeben, eben diese sogenannten "Frühwarnbescheide". Insgesamt veröffentlichten die Regierungen nunmehr etwa 280 solcher Bescheide gegen die insgesamt knapp 2000 TLD-Bewerbungen.

Die Widersprüche zu geographischen Bezeichnungen, um die sich Firmen wie Patagonia, Swiss Airlines oder Delta Airlines beworben hatten, waren keine Überraschung mehr. Auch Bewerber, die sich .roma offenbar ohne Zustimmung der lokalen Behörden sichern wollten oder einfach nicht um Unterstützung für .zulu oder .persiangulf in den jeweiligen Regionen geworben hatten, durften mit den jetzt eingereichten Bescheiden rechnen. Auch DotConnectAfrica, die gegen die Bewerbung der Afrikanischen Union antritt, musste mit Widerspruch rechnen. Von Marokko und Ägypten im Norden bis Südafrika im Süden – der Kontinent stellte sich geschlossen gegen die DotConnectAfrica.

Erstaunlich ist wohl die große Zahl an Frühwarnbescheiden, die sich gegen generische Begriffe richtet. Bei insgesamt 20 neuen TLDs meldet etwa das deutsche Bundeswirtschaftsministerium Bauchschmerzen an, wobei es allesamt generische Begriffe wie gmbh, reisen, city und vor allem hotel sind, die Philip Röslers Beamte anmeckern.

Im Fall von .gmbh, um das sich neben zwei deutschen Bewerbern auch Google und andere US-Bewerber bemühen, macht das Wirtschaftsministerium auf die besonderen rechtlichen Bestimmungen für den GmbH-Status aufmerksam. Offenbar möchte man hier eine Zusicherung von Seiten der künftigen Registry, dass auch nur nach deutschem Recht eingetragene GmbHs eine Domain unter .gmbh bekommen können. Auch bei .reise lehnt sich das Wirtschaftsministerium – und zwar zusammen mit der Schweiz und Österreich – weit aus dem Fenster und nennt gleich einmal eine Reihe von Bestimmungen für die Registrypolitik: Nur Reise-Unternehmen sollen registrieren dürfen, es soll grundsätzlich ein Bezug zur deutschen Reiseindustrie bei den veröffentlichten Inhalten sichtbar sein sowie ein deutschsprachiger Gerichtsstand gelten.

Die Warnung vor einer "Monopolisierung" generischer Begriffe durch große Firmen findet sich auch in zahlreichen der 132 Einsprüche aus Australien. Amazon allein kassierte an die 20 Widersprüche für TLDs wie .book oder .consumerelectronic auf Chinesisch. Auch die Bewerbung der Deutschen Post um epost haben die Australier auf dem Kieker: Die Deutsche Post wolle die Wettbewerber aussperren. In manchen der blauen Briefe der Australier, die sich bereits in den GAC-Sitzungen zum Wortführer der Einsprüche gemacht hatten, wird aber auch nur gewarnt, dass Registries keine ausreichenden Vorkehrungen gegen eine zu hohe Zahl defensiver Registrierungen getroffen hätten, mit denen Domains innerhalb einer neuen TLD lediglich dazu beantragt werden, um Registrierungen durch andere zu verhindern.

Wer nur eine Mahnung kassiert hat, weil er zu wenig unternahm, um defensive Registrierungen zu verhindern, kann versuchen nachzubessern. Die Regeln der ICANN erlauben auch den Rückzug: Wer innerhalb von 21 Tagen seine Bewerbung zurückzieht, bekommt 80 Prozent der bei ICANN schon entrichteten 185.000 Dollar Bewerbungsgebühr zurück. (Monika Ermert) / (jk)


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